Mittwoch, 23 September 2020 : Kommentar Die Dreigefährtenlegende des hl. Franz von Assisi

Eines Tages ging er [Herr Bernhard] insgeheim zum Manne Gottes [Bruder Franziskus], der noch keinen Gefährten hatte. „Bruder“, sagte Bernhard, „ich will alle meine zeitlichen Güter aus Liebe zu meinem Herrn, der sie mir gegeben hat, verteilen, so wie es dir besser erscheint.“ Ihm erwiderte der Heilige: „In aller Frühe wollen wir zur Kirche gehen und durch das Evangelienbuch erfahren, wie der Herr seine Jünger gelehrt hat.“ Sie machten sich also des Morgens auf, zusammen mit noch einem anderen namens Pietro, der ebenfalls Bruder werden wollte, und kamen zur Kirche San Nicolò am Marktplatz der Stadt Assisi. Dort traten sie ein, um zu beten; denn sie waren einfältig und wussten nicht, wie sie das Wort des Evangeliums vom Verzicht auf die Welt finden sollten. Deshalb baten sie andächtig den Herrn, er möge ihnen beim ersten Öffnen des Buches gnädig seinen Willen kundtun. Nach dem Gebet ergriff der selige Franziskus das geschlossene Buch, kniete vor dem Altar nieder und öffnete es. Beim ersten Öffnen stieß er auf jenen Rat des Herrn: „Wenn du vollkommen sein willst, geh und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben!“ (Mt 19,21; vgl. Lk 18,22). Als der selige Franziskus dies erfahren hatte, freute er sich sehr und sagte Gott Dank. Weil er aber ein wahrer Verehrer der Dreifaltigkeit war, wollte er eine dreimalige Bestätigung erfahren und öffnete das Buch ein zweites und ein drittes Mal. Beim zweiten Mal fand er das Wort „Nehmt nichts mit auf den Weg …“ (Lk 9,3) usw. Beim dritten Mal: „Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst …“ (Lk 9,23; Mt 16,24) usw. […] Darauf sprach er [Bruder Franziskus] zu den genannten Männern Bernhard und Petrus: „Brüder, das ist das Leben und die Regel für uns und für alle, die sich unserer Gemeinschaft anschließen wollen. Geht also hin und erfüllt, was ihr gehört habt!“ So ging nun Herr Bernhard, der sehr reich war, hin und verkaufte alles, was er besaß. Und als er viel Geld beisammen hatte, verteilte er alles an die Armen der Stadt […] Von jener Stunde an lebten sie mit ihm [Bruder Franziskus] zusammen nach der ihnen vom Herrn gezeigten Form des heiligen Evangeliums. Darum hat der selige Franziskus in seinem Testament gesagt: „Der Herr selbst hat mir offenbart, dass ich nach der Form des heiligen Evangeliums leben sollte.“

Zuletzt geändert: 22 September 2020